Wie groß ist aktuell das Interesse der Deutschen am Erlernen der spanischen Sprache? Einmal abgesehen vom regulären Spanischunterricht in Schulen und Universitäten - welche Teilnehmerzahlen verzeichnet das Instituto Cervantes in Deutschland?
Seit den 1980er Jahren ist die Zahl der Deutschen, die Kurse belegen, um die hispanoamerikanische Kultur kennenzulernen und die spanische Sprache zu erlernen, ständig gestiegen.
Für diese Zunahme gibt es vielfältige Gründe: die Beliebtheit Spaniens bei Touristen und Erasmus-Studenten, die Rolle, die unser Land international spielt, die Attraktivität des lateinamerikanischen Subkontinents, der Stellenwert der spanischen Sprache. Für die Deutschen ist Spanisch eine internationale Handelssprache und Verkehrssprache mit Lateinamerika, eine einfache Sprache, die einem Zugang verschafft zu einem breiten Spektrum an Möglichkeiten, sowohl beruflicher, als auch wirtschaftlicher, touristischer, kultureller und geschäftlicher Art.
In den fünf Cervantes-Instituten in Deutschland – Berlin, Bremen, Frankfurt, Hamburg und München - werden jährlich über 1250 Kurse angeboten. Pro Jahr melden sich etwa 9500 Sprachschüler zu unseren Spanisch-Sprachkursen an und über 2000 Personen belegen unsere Weiterbildungskurse für Spanischlehrer.
Konnten Sie, was die Bereitschaft Spanisch zu lernen betrifft, in den vergangenen 10 Jahren eine positive Entwicklung feststellen, die sich auch in den Anmeldezahlen für die Kurse der Cervantes-Institute niedergeschlagen hat?
Ca. 500.000 Kinder und Jugendliche im Schulalter lernen Spanisch (375.000 in Sekundar- und 115.000 in Berufsschulen). Die Spanisch-Nachfrage an den Schulen hat sich in den letzten 15 Jahren verdoppelt. 100.000 Studenten, von denen 5% einen Abschluss als Hispanist anstreben, belegen während ihres Studiums Spanischkurse. 250.000 Erwachsene lernen Spanisch an Sprachschulen und Volkshochschulen. Die Anzahl derjenigen, die in Deutschland Spanisch lernen, nähert sich also einer Million, bei einer Gesamtbevölkerung von 83 Millionen Einwohnern.
Zu dieser Verbreitung hat zweifellos auch die Arbeit der fünf Cervantes-Institute in Deutschland mit Unterstützung der Akteure vor Ort beigetragen. Angesichts des enormen Angebots an Spanischkursen fokussiert sich die Arbeit der Cervantes-Institute immer mehr auf spezielle Kurse, Prüfungen zum Nachweis von Spanischkenntnissen, Weiterbildungskurse für Spanischlehrer oder Online-Unterricht.
Können Sie bestätigen, dass die spanische Kultur derzeit in Deutschland im Aufwind ist, oder handelt es sich um einen vorübergehenden Hype?
Es besteht ein enormes Interesse an der spanischen Kultur, auch auf Universitätsebene, wo das hispanistische Studienangebot ständig zunimmt. Die Begeisterung für Spanien und die spanische Sprache, die in den 80er Jahren ihren Anfang nahm, hält an, insbesondere durch die europäischen Erasmus-Austauschprogramme, die zunehmende Mobilität der Spanier, die zum Studieren oder Arbeiten nach Deutschland kommen, und die starke Präsenz von spanischen Kreativen in Deutschland, speziell in Berlin.
Die Tatsache, dass Spanisch eine Sprache ist, die Werte vermittelt, mit denen man sich identifizieren kann, weckt Interesse für unsere Kultur, speziell für die Literatur, die Geschichte, das Kino, die Musik, die Kunst, den Tanz, die Architektur und die Gastronomie. Sie genießen beim deutschen Publikum immer stärkeres Ansehen und stoßen auf wachsendes Interesse.
Unter den vielfältigen kulturellen Aktivitäten des Instituto Cervantes – ob visuelle Künste, Kino, Musik, Tanz, Theater, Architektur oder Design –, welcher Stellenwert kommt der Vorstellung von Büchern, Autoren oder neuen Publikationen zu? Arbeitet das Instituto Cervantes in Berlin beispielsweise mit dem Literaturfestival der Bundeshauptstadt zusammen?
Der Literatur kommt bei unserer Programmgestaltung zentrale Bedeutung zu. Wie sollte es auch anders sein bei einem Institut, das den Namen von Cervantes trägt? Büchervorstellungen, Lesungen und Autorentreffen - immer in Zusammenarbeit mit Verlagen, Kritikern, Übersetzern und Hispanisten - finden das ganze Jahr über statt und bilden in gewisser Weise das Rückgrat der Programmgestaltung der fünf Cervantes-Institute in Deutschland.
Die Bibliotheken unserer Cervantes-Institute sind ein weiteres grundlegendes Instrument, nicht nur für die Verbreitung von spanischsprachiger Literatur bzw. Literatur in den weiteren Amtssprachen Spaniens, sondern auch für die Abbildung der spanischen Verlagswelt in Deutschland.
Das Instituto Cervantes arbeitet eng mit dem Internationalen Literaturfestival Berlin (ILB) zusammen, um Jahr für Jahr zwischen fünf und zehn spanischsprachige Schriftsteller vorzustellen. Wir kooperieren auch mit anderen Literaturfestivals in Deuschland, wie beispielsweise der Literarischen Woche und Poetry on the Road in Bremen, dem Poesiefestival Berlin, dem Literaturfest und Comicfestival in München, den Märchentagen und dem Internationalen Graphic Novel Salon in Hamburg und, natürlich, der Buchmesse in Frankfurt.
Welche Rolle kommt den Bibliotheken des Instituto Cervantes bei der Verbreitung der in Spanien herausgegebenen Bücher zu?
Unsere Bibliotheken sind ein Schaufenster des aktuellen Verlagsangebots. In einem Land wie Deutschland, in dem spanischsprachige Bücher in den öffentlichen Bibliotheken sehr präsent sind, bieten wir in unseren Zentren eine dynamische Auswahl an, zu der sich in jüngster Zeit auch die elektronische Bibliothek gesellt hat.
Die Kooperation zwischen unseren Bibliotheken und dem spanischen Verlagssektor ist sehr eng. Die elektronische Bibliothek des Instituto Cervantes hat ein gemeinsames System entwickelt, das bei den bibliographischen Verweisen im Katalog auch zu den Verlagen verlinkt. So erhöhen wir die Sichtbarkeit des spanischen Verlagswesens auf dem deutschen Markt.
Hinweisen möchte ich auch darauf, dass unsere Bibliotheken kleine, unabhängige Verlage, junge Autoren und den Bereich Kinder- und Jugendbuch fördern, und zwar zusätzlich zur allgemeinen Förderung des Lesens über Tertulias und literarische Zirkel.
Gibt es einen institutionellen Kontakt zwischen dem Instituto Cervantes und den deutschen Literaturübersetzern spanischsprachiger Werke?
Die Rolle des Literaturübersetzers bei der Entdeckung, Einführung und Verbreitung eines Autors ist für die internationale Verbreitung unseres Kulturguts in Schriftform von größter Bedeutung. Wir arbeiten deshalb eng mit ihnen zusammen. Oft sind es die Literaturübersetzer selbst, die bei unseren literarischen Veranstaltungen die Autoren vorstellen. Daneben leiten sie auch Übersetzer-Workshops oder beteiligen sich aktiv an den in unseren Zentren geführten Diskussionsrunden über literarische Themen.
Im Rahmen der kommenden Frankfurter Buchmesse organisiert das Instituto Cervantes in Kooperation mit dem VdÜ – Verband deutschsprachiger Übersetzer – den runden Tisch „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“, an dem José María Micó, Nationaler Übersetzungspreis des spanischen Kulturministeriums für seine Übersetzung von Orlando furioso von Ariosto, Christian Hansen, Übersetzer von Roberto Bolaño ins Deutsche, und Luis Ruby, Übersetzer von Carlos Fuentes und Javier Marías, teilnehmen.
Welche Maßnahmen würden Sie mit Ihrer langjährigen Erfahrung als Kulturmittlerin empfehlen, um die Verbreitung von spanischer Literatur in deutscher Sprache voranzutreiben?
Zunächst einmal die enge Zusammenarbeit mit dem Sektor: mit Hispanisten, Literaturscouts, Verlegern und den Lektoren für spanischsprachige Literatur, den Literaturkritikern, Journalisten und Übersetzern. Ein Netz höchst kompetenter Fachleute, die das gleiche Ziel verfolgen und das Erscheinen von Autoren in spanischer Sprache und deren Verbreitung fördern.
Darüber hinaus ist es wichtig, die Präsenz spanischer Autoren nicht nur in unseren Instituten, sondern auch auf internationalen Messen, in Universitäten, Hispanistenvereinigungen und sonstigen Foren weiterhin zu unterstützen.
Die Förderung von Übersetzungen und der Herausgabe von Werken spanischer Autoren auf Deutsch sowie die Unterstützung der Arbeit junger Verlage sind weitere entscheidende Instrumente, mit denen die Verbreitung unserer Literatur gefördert werden kann.
Vielleicht aber ist das wichtigste Mittel, um die Verbreitung spanischsprachiger Literatur zu fördern, die Zusammenarbeit mit öffentlichen und privaten Institutionen, sowohl spanische als auch deutsche, um ihre Präsenz bei den unterschiedlichen kulturellen Veranstaltungen und literarischen Foren, die in Deutschland stattfinden, zu erhöhen.
Und zu guter Letzt, welche aktuelle Lektüre eines spanischen Autors würde die Leiterin des Instituto Cervantes in Berlin einem deutschen Leser empfehlen?
Ich würde die Lektüre von Werken spanischer Autoren empfehlen, die im September am Internationalen Literaturfestival in Berlin teilgenommen haben: die Graphic Novel von Paco Roca „Los surcos del azar“ (Die Heimatlosen) über die Geschichte des Exils der spanischen Republikaner oder den Roman „Democracia“ (Demokratie) von Pablo Gutiérrez, eine Erzählung über die Krise, die unsere Gesellschaft durchlebt, beide wurden vor kurzem ins Deutsche übersetzt. Die Eröffnungsrede des Festivals hielt übrigens einer der in Deutschland meistgelesenen und angesehensten spanischen Autoren, Javier Marías. Der richtige Moment also, um noch einmal eines seiner bereits übersetzten Werke zu lesen, beispielsweise Corazón tan blanco (Mein Herz so weiß), Mañana en la batalla piensa en mí (Morgen in der Schlacht denk an mich) oder Los enamoramientos (Die sterblich Verliebten), oder aber mit der Lektüre seines zuletzt veröffentlichten Romans zu beginnen, „Así empieza lo malo“, dessen Übersetzung ins Deutsche (So fängt das Schlimme an) im September erschienen ist und dessen Übersetzerin, Susanne Lange, auch am Festival teilgenommen hat.
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