Die eigene Identität zu finden und sich abzugrenzen ist auch für Kinder wichtig. Was geschieht, wenn man dabei übers Ziel hinausschießt und wie man dennoch neue Freunde findet, zeigt das Bilderbuch Els Garcia i el mur des bewährten Gespanns Jaume Copons und Òscar Julve.
Mit seiner Erfolgsserie Agus i els monstres ist Jaume Copons schon seit Längerem eine feste Größe in der katalanischen Kinderliteratur. Lange Zeit im deutschen Sprachraum unbeachtet, wird ein erster Band der Serie im Herbst 2022 bei der Edition Helden erscheinen. Der Illustrator Òscar Julve hat mit Jaume Copons bereits die Kindercomicserie Aventura total zum Leben erweckt. Darüber hinaus hat er zahlreiche weitere Kinder- und Bilderbücher grafisch gestaltet, darunter auch Werke namhafter Autoren wie Jordi Sierra i Fabra.
In Els Garcia i el mur erzählt die kleine Ich-Erzählerin Duna Garcia, wie eines Tages im Nachbarhaus eine neue Familie einzieht, die zufällig den gleichen – in Spanien recht häufigen Nachnamen – hat. Duna ist begeistert, nicht zuletzt, weil die Familie einen gleichaltrigen Sohn hat: Lluc. Beste Voraussetzungen also für eine innige Freundschaft. Doch zunächst gilt es einige Hürden zu überwinden.
Die Eltern der Kinder freunden sich an, doch Lluc verweigert anfangs jeden Kontakt. Den Kuchen, den Dunas Vater gebacken hat, rührt er nicht an. Er meidet das Nachbarsmädchen und lässt nicht mal seinen Hund mit ihrem spielen.
Die beiden Kinder sind grundverschieden. Während Duna eine kleine Draufgängerin ist, die sich gern schmutzig macht und liebend gern Ball spielt, ist Lluc ein eher stilleres Kind, das gern zeichnet.
Als Duna ihren Ball eines Tages aus Versehen in Llucs Garten schießt, gibt der Junge ihn nicht nur nicht zurück, sondern baut am nächsten Tag eine hohe Mauer aus leeren Kartons. Um Lluc um den Ball zu bitten, lehnt Duna eine Leiter an die Mauer. Dabei sieht sie, dass ihr Nachbar gerade ein schönes Bild von ihr malt. Doch da stürzt die Kartonmauer auch schon unter ihrem Gewicht ein und sie landet in Llucs Garten. Lluc reagiert verärgert, doch rasch fällt er in Dunas ansteckendes und erlösendes Lachen ein. Seither sind die beiden unzertrennliche Freunde, die nun alles miteinander teilen. Und mit den Kartons bauen sie in den beiden Gärten einen großen Kletterparcours.
Das hübsche Bilderbuch von Jaume Copons und Òscar Julve zeigt anschaulich, wie schnell Grenzen zwischen Menschen entstehen können und wie wohltuend es ist, diese zu überwinden. Der stille Lluc hat anfänglich seine Schwierigkeiten mit Dunas quirliger Art. Insgeheim wäre er vielleicht sogar gern wie sie, aber er kann nicht auf sie zugehen. Und dass sie den gleichen Nachnamen haben, entpuppt sich für ihn als zusätzliches Hindernis, um sich neben ihr zu behaupten und seine Identität zu finden. Er bemüht sich um Abgrenzung, was es beiden Kindern jedoch schwer macht, einen Weg zueinander zu finden.
Erzählt wird die Geschichte in einfachen Worten von der kleinen Duna. Ihre leicht nachvollziehbare Schilderung kommt erfreulicherweise ohne jede Wertung aus und lädt somit ein, sich einen offenen, unbefangenen Blick zu bewahren, selbst wenn man Verhaltensweisen anderer auf den ersten Blick vielleicht nicht versteht.
Die klaren, humorvollen Illustrationen von Òscar Julve sind kindgerecht und regen dazu an, den Faden der Geschichte fortzuspinnen und sich beim gemeinsamen Betrachten des Bilderbuchs auszudenken, was Duna und Lluc über das Beschriebene hinaus erlebt haben. Gerade am Ende des Bilderbuchs, als die Kinder fröhlich und vereint miteinander spielen, bilden die detailreichen, an Wimmelbilder erinnernden Illustrationen geradezu eine Rampe für fantasievolles Fabulieren, um das Vorlesen und Betrachten zu einem Spaß für Groß und Klein zu machen.
In einer deutschen Fassung des Bilderbuchs mit der positiven, verbindenden Botschaft sollten die Namen für ein authentischeres Lesevergnügen der jungen Zielgruppe eingedeutscht werden. Der Nachname Garcia ist in Spanien ebenso häufig wie hierzulande Müller, Meyer oder Schmitz. Entsprechend adaptiert, ist die Geschichte absolut glaubhaft, denn das Ringen um Identität und das Wechselspiel um Abgrenzung und Nähe ist universell.
Fazit: Eine Übertragung des Bilderbuchs Els Garcia i el mur von Jaume Copons und Òscar Julve, das leichtfüßig schwergewichtige Themen behandelt, ist absolut empfehlenswert.
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