Der Schriftsteller Ricardo Alcántara ist so etwas wie der große alte Mann der uruguayischen Kinderliteratur. Er veröffentlichte zahlreiche Titel, darunter sowohl Bilderbücher als auch Romane für Kinder und Jugendliche. Für sein Werk wurde er mit wichtigen Literaturpreisen geehrt, darunter auch mit dem Premio Serra d‘Or, der für ihn erstmals an einen nicht katalanisch schreibenden Autor vergeben wurde.
Bei dem vorliegenden Titel handelt es sich um ein Bilderbuch für Kinder ab fünf Jahren, das die Themen Mobbing und Ausgrenzung zum Inhalt hat.
Inhalt
Pol ist ein ganz normaler Junge. Er hat zwei Hände, zwei Beine, zwei Augen, eine Nase und einen Mund. Trotzdem entscheidet der beliebte Gustavo, dass Pol seltsam sei. Er spielt nicht mit Pol und bringt auch die anderen Kinder dazu, Pol zu meiden. Der selbst sagt: „Das ist mir egal. Weil mein Vater ein Zauberer ist.“ Das bietet Gustavo willkommenen Anlass, Pol zu verhöhnen. Wenn der Papa doch Zauberer sei, dann könne er sicherlich Pols hässliche alte Schuhe in ein Paar schickere verwandeln. Pol nimmt diese wie auch all die anderen Angriffe von Gustavo scheinbar gelassen hin, ohne sich zu wehren. Das bringt den anderen nur noch mehr gegen ihn auf, immer gemeiner versucht er Pol zu treffen. Und eines Tages gelingt ihm das auch: Als Gustavos Kindermädchen einen kleinen Welpen mitbringt, möchte natürlich auch Pol ihn streicheln. Das erlaubt Gustavo nicht. „Du darfst ihn nicht anfassen. Nur meine Freunde dürfen mit ihm spielen.“ Plötzlich spürt Pol einen großen Schmerz in seiner Brust. Weinend läuft er nach Hause. Die anderen Kinder folgen ihm und werden Zeug*innen, wie Pols Vater seine Zauberkünste zeigt: Er nimmt den völlig aufgelösten Pol in seine Arme, hört ihm verständnisvoll zu und „heilt“ ihn so von seinem seelischen Schmerz. Die Kinder, die Pol gefolgt sind, beobachten all das durchs Fenster und sind voller Staunen. „Pol ist nicht seltsam, die Sache ist, sein Papa ist wirklich ein Zauberer.“ Das Buch endet versöhnlich – am Ende fragen die Kinder, ob sie nicht auch ein Zauberkunststück gezeigt bekommen. Und das bekommen sie.
Bewertung
Ein Bilderbuch, dessen poetischer Text kongenial von Albert Asensios Illustrationen begleitet und ergänzt wird. Denn was wie eine simple Story daherkommt, stellt sich in Asensios Bildern als viel komplexer dar. Die Gemeinschaft der Kindergruppe, Pol, der stets abseits von ihnen spielt – eindrücklich wird hier dargestellt, wie schmerzhaft Ausgrenzung ist. Und wie dringend Kinder, die gemobbt werden, verständnisvolle und empathische Begleitung durch Erwachsene brauchen – genauso wie diejenigen, die selber mobben, die Täter*innen werden. Dass eine solche Spirale nicht durch Gewalt und hartes Eingreifen beendet wird, sondern nur durch Gemeinschaft, dies ist die Botschaft dieses Bilderbuches.
Auch wenn der Text sich vermeintlich an jüngere Kinder richtet, ist es m. E. doch eher ein Buch, das sich für die gemeinsame Betrachtung mit Vor- und Grundschulkindern eignet. Gerade die einprägsamen Illustrationen bieten viel Raum für Gespräche über Ausgrenzung, Toleranz und die Wertschätzung von Unterschiedlichkeiten. Dabei entzieht sich dieser Titel jedes plumpen Erziehungsversuches. Es wird weder beurteilt noch gerichtet und gibt Kindern die Möglichkeit, ihre eigenen Werte und Wünsche zu reflektieren.
Ein sehr spezielles und eigenes Buch, dessen Veröffentlichung sicherlich eine Portion verlegerischen Mutes benötigt, dafür aber das Zeug hat, ein echter Klassiker zu werden.
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