Reina Roja (Rote Königin)
Autor: Juan Gómez-Jurado
Verlag: Ediciones B, 2018, 568 Seiten
Genre: Literatur
Gutachterin: Sybille Martin
Inspector Jon Gutiérrez von der baskischen Policía Nacional ist wegen Korruption vom Dienst suspendiert, als er von einem ominösen Mann namens Mentor aufgesucht wird, der ihn für das europäische Geheimprojekt Reina Roja (Rote Königin) gewinnen möchte. Dafür soll er mit Antonia Scott zusammenarbeiten, eine hochbegabte junge Frau, die für Reina Roja aus hunderten Kandidaten ausgewählt wurde. Beide werden in eine hochgesicherte Luxus-Wohnanlage Madrids geschickt, wo in der Villa der mächtigen Bankpräsidentin Laura Trueba ihr Sohn Álvaro tot aufgefunden wurde.
Zur selben Zeit wird Carla Ortiz, die Tochter des großen Textilfabrikanten Ramón Ortiz, mitsamt ihrem Chauffeur entführt. Auf diesen Fall wird José Luis Parra, Chef der Sondereinheit für Entführungen und Erpressung, mit seinem Team angesetzt. Von Ortiz erfährt er, dass sich ein gewisser Ezequiel als Entführer gemeldet hat. Parra stört sich zunehmend an der Einmischung der angeblichen „Interpol-Kollegen“ Antonia und Jon, zumal die beiden ihm ständig einen Schritt voraus sind. So finden sie vor ihm Carlas toten Chauffeur und leisten sich auch noch eine mörderische Verfolgungsfahrt mit dem mutmaßlichen Entführer, die sie wie durch ein Wunder unverletzt überleben.
Als Jon und Antonia herausfinden wollen, was der Entführer von den schwerreichen Eltern der Opfer verlangt, suchen sie erst Laura Trueba und anschließend Ramón Ortiz auf: Sie sollen öffentlich etwas bekennen, das sie getan haben, doch beide weigern sich stoisch, um ihren jeweiligen Unternehmen nicht zu schaden. Von Laura Trueba erhalten sie immerhin einen Hinweis, ein Bibelzitat aus dem Buch Ezechiel: Ein Sohn soll nicht die Schuld seines Vaters tragen und ein Vater nicht die Schuld seines Sohnes.
Parra zeigt Jon Gutiérrez schließlich beim Dezernat Interne Ermittlungen an und findet heraus, dass hinter dem Codenamen Ezequiel Nicolás Fajardo steckt, ein Kollege aus der Madrider Spezialeinheit zum Schutz des gigantischen Kanal- und Metrosystems unter der Hauptstadt. Als Parra mit seinem Team Fajardos Wohnung stürmt, explodieren zwei Chlorbomben, bei der alle außer Parra sterben.
Schließlich wird auch noch Antonia Scotts Sohn Jorge entführt, der unter der Vormundschaft ihres Vaters, dem englischen Botschafter in Madrid steht. Daraufhin überschlagen sich die Ereignisse. Antonia erinnert sich an das alte Motto der Stadt: Auf Wasser bin ich gebaut, meine Mauern sind aus Feuer, das darauf anspielt, dass die Araber im IX. Jahrhundert auf den unzähligen unterirdischen Wasseradern die Stadt Mayrit, das heutige Madrid, errichteten. Sie instruiert Jon Gutiérrez und macht sich auf den Weg in das unterirdische Labyrinth. Dabei gelangt sie zu einem Geisterbahnhof der früheren Metro-Linie 2, wo sie tatsächlich auf Fajardo und dessen Tochter Sandra trifft: Sandra ist in Wirklichkeit die treibende Kraft der Verbrechen. Indessen muss Jon mehrere Fallen überwinden und Carla kann sich aus ihrem unterirdischen Verlies befreien. Sie tötet Fajardo mit einer Kachelscherbe und Antonias Sohn Jorge läuft in seiner Panik Sandra direkt in die Arme. Der Showdown zwischen Antonia und Sandra endet mit einer Schießerei, Sandra wird getroffen und stirbt bei der Explosion ihrer selbst gelegten Bombe.
Jon - Mitte Vierzig, schwul und Philanthrop - hat keine andere Wahl, als diesen Auftrag anzunehmen, aber er muss die traumatisierte Antonia erst zur Mitarbeit überreden, weil sie sich die Schuld dafür gibt, dass ihr Mann seit einem Überfall in der gemeinsamen Wohnung im Koma liegt und der Vater ihr den Sohn weggenommen hat. Doch wegen ihrer bestechenden Logik sowie ihres visuellen Gedächtnisses ist sie für diesen Fall wie geschaffen, da es sich um die Entführung der Kinder von zwei schwerreichen (real existierenden) Persönlichkeiten handelt. Carla Ortiz verbringt lange Stunden der Verzweiflung und Todesangst in ihrem Kerker, doch trotz ihrer vielfältigen Verletzungen gelingt es ihr, die Tür auszuhebeln und sich und Antonias kleinen Sohn zu befreien.
Das Buch ist im Präsens geschrieben und besteht aus drei Teilen. Der erste ist Jon gewidmet, der zweite Carla und der dritte Antonia. Jedem Teil ist ein Zitat vorangestellt (u.a. von der Roten Königin aus Alice im Wunderland), die Kapitel sind jeweils durchnummeriert oder tragen Überschriften, die mit den Namen beteiligter Figuren wie Carla, Ezequiel, Parra und anderen alternieren. Der Sprachduktus ist klar und flüssig, die Protagonisten bestechen unter anderem durch Schlagfertigkeit und Witz, Galgenhumor und amüsante Wortgefechte.
Die rasche Abfolge der kurzen Kapitel, die pointierten Dialoge sowie die gekonnt platzierten Cliffhanger steigern die Spannung kontinuierlich, der schwindelerregende Rhythmus des Romans vermittelt den Eindruck, einen Kinothriller zu sehen.
Sämtliche Figuren sind vielschichtig ausgearbeitet, es geht um Machtpositionen und Korruption bei der Polizei, Kapitalis- und Sozialismuskritik, Überwindung traumatischer Erlebnisse und Überlebenskampf, all das unterlegt mit viel Lokalkolorit von Madrid, was die Geschichte ausgesprochen lebendig macht.
Das ist der beste Thriller in spanischer Sprache, den ich bisher gelesen habe, und es werden, laut Ankündigung des Autors, weitere Bücher mit Antonia Scott und Jon Gutiérrez folgen. Ich kann das Buch für eine Übersetzung sehr empfehlen.
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