Autor: Juan Vilá
Verlag: Editorial Anagrama, Barcelona 2020, 167 Seiten
Gutachter: Carsten Regling
Der Roman 1980 des spanischen Autors Juan Vilá ist eine ungewöhnliche, teils autobiografische Familiengeschichte aus der Sicht eines etwa fünfundvierzigjährigen Erzählers, der auf ebenso humorvolle wie berührende Weise auf seine Kindheit zurückblickt und von seiner ganz gewöhnlichen und doch einzigartigen Familie berichtet.
Der Journalist und Schriftsteller Juan Vilá wurde 1972 in Madrid geboren und hat bisher vier Romane veröffentlicht, die aufgrund ihres mutigen, erfrischenden Stils und ihres Humors sowohl von der Presse als auch anderen Autoren viel beachtet und gelobt wurden.
Im Jahr 1980 lernt der namenlose Ich-Erzähler (hinter dem man getrost den Autor selbst vermuten darf) seinen zweiten Vater kennen. Nach dem Unfalltod des Vaters hat seine Mutter ein Verhältnis mit einem wesentlich älteren Mann aus der katalanischen Bourgeoisie begonnen, und obwohl sie politisch links steht, heiratet sie den wohlhabenden, konservativ-bürgerlichen Mann, zieht zu ihm nach Barcelona und lässt ihre drei Kinder (den Erzähler und dessen Geschwister: einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester) bei ihrer Mutter in Madrid zurück. Erst nach einer Weile macht sie ihren neuen Ehemann mit ihren Kindern bekannt, die auf unterschiedliche Weise mit der Präsenz eines neuen Vaters umgehen. Der Erzähler ist von Anfang an fasziniert von der aristokratischen, etwas antiquierten Art seines zweiten Vaters, der schnell zu einem „richtigen“ Vater für ihn wird, auch wenn er später von dessen unrühmlicher Vergangenheit zu Zeiten des Spanischen Bürgerkriegs erfährt, was das heldenhafte Bild seines neues Vaters im Nachhinein gehörig ins Wanken bringt.
Die Phase des Kennenlernens der beiden stellt einen tiefgreifenden Einschnitt im Leben des Erzählers dar und bildet den Ausgangspunkt des Romans. In losen anekdotischen Erinnerungen und Episoden aus seiner Kindheit und zahlreichen Exkursen und Reflexionen rund um das Thema Familie nähert sich der Erzähler seiner eigenen Familie und Kindheit und der Frage an, in welcher Weise diese ihn geprägt und zu dem gemacht haben, der er heute ist. Obwohl er in vielen Abschnitten auf bissige, bisweilen wütende Weise über die meisten Angehörigen seiner Familie berichtet, geht es ihm doch immer darum, ihr Verhalten zu ergründen. Der Erzähler bemüht sich, niemanden in seiner Familie zu verurteilen (auch nicht die scheinbare Kaltherzigkeit und den pragmatischen Egoismus seiner Mutter); er versucht vielmehr, die Motive hinter ihren Verhaltensweisen zu erkennen und Verständnis und Wohlwollen für sie aufzubringen. Auf diese Weise wird aus der anfänglich bissigen, zugleich humorvollen Abrechnung zunehmend ein fast zärtliches Loblied auf die Familie samt ihrer Marotten.
1980 ist keine umfassende, chronologisch erzählte Familiengeschichte, sondern eine Aneinanderreihung loser, oft herrlich skurriler Anekdoten, einzelner Erinnerungen und interessanter Gedanken und Abschweifungen. Gleichzeitig entsteht auf diese Weise das faszinierende Bild einer ebenso einzigartigen wie ganz normalen Familie.
1980 ist flüssig und lebendig erzählt, die Sprache des Romans ist klar, unprätentiös und direkt, als hörte man dem Autor unmittelbar beim Erzählen seiner Geschichte zu. Dies und der humorvolle, anekdotenhafte Charakter, aber auch die klugen eingestreuten Reflexionen zum Thema Kindheit und Familie machen den Roman zu einer ebenso vergnüglichen wie erhellenden Lektüre, die sich auf positive Weise von vielen – allzu glatten und ernsten – Familiengeschichten abhebt.
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