Blanco de tigre (Tigerweiß)
Autor: Andrés Guerrero
Verlag: Literatura SM, 2019, 193 S.
Ausstattung: Softcover
Lesealter: 13+
Genre: Jugendbuch, magischer Realismus
Gutachterin: Jule Irsch
Andrés Guerrero ist ein spanischer Autor und Illustrator. Er arbeitet als Zeichner für Presse und Fernsehen und hat unzählige Kinder- und Jugendbücher illustriert und vor allem für den Erstlesebereich geschrieben.
Für seinen 2019 erschienenen Jugendroman Blanco de tigre wurde Guerrero mit dem Premio Gran Angular ausgezeichnet.
Guerreros Werk wurde bislang nicht ins Deutsche übersetzt.
Der vorliegende Titel ist ein fantastischer Roman für Jugendliche ab 13 Jahren. Er erzählt die Geschichte von Duna, die sich nicht den Konventionen ihres Dorfes unterwerfen will, dadurch erst sehr einsam und schließlich sehr frei und glücklich wird. Spannend und ohne falschen Pathos entwickelt Guerrero seine Handlung. Dabei gelingt es ihm Elemente des magischen Realismus mit Fragmenten hinduistischer Mythologie meisterhaft zu verweben.
Inhalt
Duna, die Schwester des Erzählers, soll mit Señor Ming verheiratet werden. Nicht einmal gefragt wurde sie, ihr Zukünftiger von Vater und Ältestenrat ausgewählt. Da entschließt sich Duna, die sich noch nie für traditionell weiblich konnotierte Tätigkeiten interessiert hat, das Fischerdorf zu verlassen, in dem sie aufgewachsen ist, und als Jägerin in den Dschungel zu ziehen. Dort möchte sie autark und frei ihr Leben gestalten.
Schon bald wird sie durch ihr Können und ihre Instinkte zur besten Jägerin des gesamten Umlandes, selbst die gefährlichen Tiger jagt sie. Doch die Legenden ihres Volkes erzählen auch von den „weißen Dämonen“ - weißen Tigern, die anders als ihre orangefarbenen Artgenossen menschliche Eigenschaften haben sollen und vor denen sich die Menschen am Rande des Dschungels besonders fürchten. Und so macht sich Duna eines Tages auf, den weißen Tiger zu suchen. Ihre Reise bringt sie weit in den Norden, zu den schneebedeckten Gipfeln des Himalaya. Dort trifft sie endlich auf einen weißen Tiger, der sie im Kampf schwer verwundet. Als Duna wieder zu sich kommt, wird sie von einem schneeweißen Mann – Raksha – gesund gepflegt. Schnell wird ihr klar, dass der weiße Tiger und der weiße Mann ein und dasselbe Wesen sind – die magische Vereinigung eines göttlichen Tieres mit einer menschlichen Seele. Anders als ihr von ihrem Volk glauben gemacht wurde, sind die weißen Tiger keine mordlüsternen Dämonen (Sanskrit: Rakhshasa = Dämon / Raksha = Beschützer/Bewahrer), sondern im Gegenteil die wahren „Herren des Dschungels“, verfolgt, weil sie nicht den Vorstellungen der Menschen entsprechen, weil sie sich nicht entscheiden wollen zwischen den Welten, in denen sie leben.
Und so erkennen Raksha und Duna einander als Seelenverwandte. Gemeinsam reisen sie zurück in Dunas Heimat, gemeinsam zeugen sie ihren Sohn Safed, der ebenfalls ein „tigre blanco“ ist. Doch beiden ist klar, dass ihre Verbindung niemals von Dunas Volk akzeptiert werden wird und so nimmt sie sich ihren Cousin zum offiziellen Mann, der nicht nur ihre Beziehung zu Raksha akzeptiert, sondern auch Safed an Kindes statt annimmt.
Ein Happy End ist dieser Ménage a trois jedoch nicht vergönnt. Dunas verschmähter Bräutigam Señor Ming überfällt das Haus der Familie eines Nachts, lässt Duna und ihren Ehemann ermorden und will auch den Sohn Safed töten. Doch er hat nicht mit der Vollmondnacht gerechnet – Safed verwandelt sich im Licht des Mondes in einen weißen Tiger und gemeinsam mit seinem ihm zur Hilfe eilenden Vater Raksha rächen sie Dunas Tod und kehren in den Dschungel zurück – denn nur dort dürfen sie das Leben führen, das sie sich wünschen, ein Leben in Freiheit und Unabhängigkeit, das sich am Ende nicht vereinen lässt mit dem Leben der Menschen.
Bewertung
Guerrero hat mit seinem Blanco de tigre einen spannenden Jugendroman geschrieben, der ebenso stark inspiriert ist von Kiplings Dschungelbuch-Erzählungen wie von den Mythen und Sagen des indischen Subkontinents.
Spannend und authentisch erzählt er die Geschichte einer jungen Frau, die keinen Mann an ihrer Seite benötigt, um ihre Identität zu finden; die stark und unabhängig ihren Weg geht und nicht bereit ist, aus ihrem Leben einen Kompromiss zu machen. Sehr gelungen verflicht Guerrero phantastische Elemente mit den Komponenten eines Coming of age-Romans. Herausgekommen ist dabei eine Parabel auf das Leben – ein Leben, in dem sich jede und jeder selbst entscheiden muss, welche Prioritäten gesetzt werden, in dem das „Richtige“ und das „Falsche“ nicht immer klar zu unterscheiden sind und in dem wir manche Fehler nicht wieder gut machen können. Blanco de Tigre ist aber auch ein Roman, der davon handelt, dass es sich lohnt mit Konventionen zu brechen, in neuen Bahnen zu denken, weil uns so viele Welten sonst verschlossen bleiben.
Vom Anfang bis zum Ende ein echter „Pageturner“, der ohne erhobenen Zeigefinger, ohne erklärende Einleitung oder wortreichen Epilog auskommt und im aktuellen Jugendbuchsegment seinesgleichen sucht. Ein Titel, den ich unbedingt für eine Übersetzung empfehle!
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