Casas Vacías (Leere Häuser)
Autorin: Brenda Navarro
Verlag: Sexto Piso Madrid/Ciudad de México, 2020. 164 Seiten
Gutachterin: Anette Lang
Zusammenfassung
Das Debut Casas vacías der mexikanischen Autorin Brenda Navarro ist eine intelligente, spannende aber auch harte Lektüre über die dunkle Seite der Mutterschaft, die im Leser noch lange nachklingen und für viele wahrscheinlich unvergesslich bleiben wird.
Hintergrundinformationen
Casas vacías ist das Erstlingswerk der 1982 geborenen Mexikanerin Brenda Navarro. Die Autorin, die sich speziell für die Frauenrechte in Mexiko einsetzt, veröffentlichte den Roman zunächst online, wo er in der Netz-Community rasch großen Erfolg erzielte. Der Verlag Sexto Piso brachte den Roman daraufhin auf den spanischen Markt, mittlerweile ist das Buch in Italien erhältlich und soll demnächst auch in Großbritannien erscheinen.
Inhalt
Casas vacías erzählt, wie der dreijährige Autist Daniel von einer emotional hochgradig instabilen Frau aus seiner besser gestellten Familie entführt wird. Es sind die beiden Mütter, die leibliche wie die „Ersatzmutter“, die nach und nach die Geschichte der Kindes-Entführung offenlegen, und welche Konsequenzen für die beiden Frauen daraus erwachsen.
Während Daniels leibliche Mutter von der Komplexität der Mutterrolle, verschärft durch Adoptivtochter und Krankheit des Sohnes, überfordert scheint und noch damit beschäftigt ist, ihren Platz im Leben auszuloten, ist seine Entführerin von dem Wunsch besessen, eine eigene Familie zu gründen. Ihr gewalttätiger Freund Rafa, ein Kleinganove und Ausbeuter, ist daran aber keineswegs interessiert. Als sie eines Tages mit dem entführten Kind nach Hause kommt, schlägt er sie brutal zusammen und straft sie durch immer längere Abwesenheiten, bis er sie schließlich ganz verlässt.
Während die leibliche Mutter immer tiefer im Sog von Schuld und Selbstanklage versinkt, versucht die Entführerin weiterhin nach Kräften, für Daniel und seine speziellen Ansprüche zu sorgen, bis ihr das Kind von ihrer eigenen Mutter ebenfalls geraubt und – zumindest wird dies angedeutet – an einen Pornoring verkauft wird. Am Ende steht eine geschändete Kinderleiche, die Daniels Vater jedoch nicht als eigenes Kind identifizieren kann oder will, und zwei Frauen, die mit ihrem Leben bereits abgeschlossen haben, ohne jedoch den Tod zu finden.
Sprache/Stil
Der Erzählstrang wird abwechselnd aus der Perspektive von Mutter und Entführerin fortgeführt.
Sie entstammen unterschiedlichen sozialen Schichten, was sich auch in der Sprache widerspiegelt. Dennoch entwirft die Autorin Parallelen für ihre weiblichen Hauptfiguren, beide leiden am Desinteresse ihrer Partner, fühlen sich allein gelassen und zweifeln an ihrer Eignung zur Mutter.
Da beide Frauen namenlos bleiben, eröffnet sich ein Raum, in dem die Allgemeingültigkeit dieser Fragestellungen auch für den Leser noch stärker hervortritt. Dazu passt, dass die Autorin die Figur der Entführerin nicht bloßstellt oder moralisch katalogisiert. Es handelt sich nur um eine weitere Facette des Mutter-Themas, das Navarro von allen Seiten beleuchtet.
Obwohl es sich bei Casas vacías sicher nicht um einen Krimi handelt, weiß die Autorin in ihrer atemlosen Prosa Spannung aufzubauen, indem sie Elemente aus der Trickkiste der Kriminalliteratur entlehnt, etwa Informationen zunächst unterschlägt, um sie an späterer Stelle überraschend einfließen zu lassen. Auch das Ende des kleinen Daniel wird nicht auserzählt, stattdessen führt die Autorin subtil die Möglichkeit seines tragischen Todes ein, schließt diese daraufhin durch die Aussage des Vaters aus und überlässt es am Ende dem Leser, die Punkte zu verbinden.
Bewertung
Casas vacías ist keine Wohlfühl-Literatur, sondern greift Themen auf, die vom Leser ein Durchdenken verlangen und noch lange nachhallen. Neben sehr weiblichen Motiven wie Mutterschaft, Abhängigkeit, emotionalem Verrat und Ausbeutung beleuchtet die Autorin auch die soziale Realität der mexikanischen Unterschicht.
Das Buch wird sicher hervorragende Rezensionen erhalten und dürfte durch seine literarische Qualität auf ein solides Interesse stoßen, auch wenn es für den ganz großen kommerziellen Erfolg wahrscheinlich zu kurz, zu hart und zu hoffnungslos ist.
Trotzdem sollte dieses Buch nach Veröffentlichungen in Italien und Großbritannien auf jeden Fall auch dem deutschsprachigen Publikum zugänglich gemacht werden.
Hinweis auf Übersetzungsmöglichkeiten
In Casas vacías unterscheiden sich die Wortmeldungen der beiden Frauen sprachlich stark voneinander. Während die leibliche Mutter atemlos, ja fast gebetsmühlenartig die Ereignisse in Hochsprache wiedergibt, erzählt die Entführerin in vulgärem Gossenslang.
Obszönitäten aus dem mexikanischen Spanisch reihen sich hier Zeile an Zeile, was den Übersetzer vor die anspruchsvolle Aufgabe stellen dürfte, Entsprechungen im Deutschen zu finden, die nicht aufgesetzt oder weit hergeholt klingen.
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