El cielo a tiros (Schüsse in den Himmel)
Autor: Jorge Franco
Verlag: Alfaguara, 2018, 382 S.
Genre: Literatur
Gutachter: Thomas Bouimtas
„El cielo a tiros“ von Jorge Franco ist ein kluger, exzellent geschriebener und multiperspektivisch konstruierter Roman, der eine neue Perspektive auf die Konstruktion von Opfer- und Täterrollen der Gewaltexzesse der Drogenkartelle in Kolumbien eröffnet. Aufgrund der literarischen Qualität des Buches und der Relevanz des Themas ist eine Übersetzung ins Deutsche äußerst wünschenswert.
Hintergrundinformation
Jorge Franco ist einer der bekanntesten zeitgenössischen Autoren Kolumbiens. Seinen Durchbruch schaffte er im Jahr 1999 mit seinem zweiten Roman „Rosario Tijeras“, für den er im folgenden Jahr den Premio Hammett für den besten spanischsprachigen Kriminalroman erhielt. Insgesamt hat Jorge Franco bisher 7 Romane und einen Band mit Kurzgeschichten veröffentlicht, mehrere seiner Werke wurden bereits für Film und Fernsehen adaptiert.
Mit „El cielo a tiros“ widmet sich Jorge Franco zum ersten Mal seit „Rosario Tijeras“ wieder dem Thema der Drogenkriminalität in Kolumbien. Der Roman beleuchtet dabei jedoch eine bisher deutlich unterrepräsentierte Perspektive des Drogenhandels: die der Kinder der Generation von Drogenhändlern um Pablo Escobar, die nach der Zerschlagung der Kartelle mit den sozialen Stigmata der Taten ihrer Eltern leben müssen. Insgesamt arbeitete Franco 4 Jahre an dem Buch, und es gelang ihm im Zuge seiner Recherchen Kinder von Kartellmitgliedern über ihr Leben zu interviewen.
Inhalt
Aufgeteilt auf drei zu unterschiedlichen Zeitpunkten situierten Erzählsträngen und zwei Erzählinstanzen schildert Jorge Franco das sukzessive Auseinanderbrechen einer Familie und entwirft dabei gleichzeitig das pessimistische Bild einer Gesellschaft, die auch viele Jahre nach dem Tod Pablo Escobars weiterhin von Drogenhandel und einer daraus resultierenden, tief verwurzelten Kultur der Gewalt geprägt ist.
Larry, in London lebender Sohn eines ehemaligen Geschäftspartners Pablo Escobars, kehrt zwölf Jahre nach dem traumatischen Verschwinden des Vaters nach Medellín zurück, um zusammen mit der Familie dessen kürzlich aufgetauchte sterbliche Überreste entgegen zu nehmen. Schnell muss Larry feststellen, dass die soziale Stigmatisierung seiner in den Drogenhandel verwickelten Familie auch viele Jahre nach dem Verschwinden des Vaters unverändert Bestand hat.
Gemeinsam mit ehemaligen Schulfreunden treibt Larry durch das nächtliche Medellín, das sich aufgrund der Alborada – der Feierlichkeiten, die den Beginn des Dezembers ankündigen – in ein einziges Tollhaus verwandelt hat. Im Laufe derNacht und des folgenden Tages muss sich der von seiner Heimat entfremdete Larry dem Erbe seines Vaters, seiner zerbrochenen Familie und letztlich seiner Stadt Medellín stellen, in der die Sünden der Vergangenheit offen weitergelebt werden.
Sprache/Stil
Der direkte, temporeiche, sich an der Sprache der Straße orientierende Erzählstil von „El cielo a tiros“ ist dem der novela negra angelehnt. Überwiegend in der ersten Person aus der Perspektive Larrys erzählt, führt Jorge Franco den Leser auf mehreren umeinanderkreisenden und schlussendlich zusammenlaufenden Erzählsträngen immer tiefer in eine Welt ein, deren Protagonisten sich einfachen Zuschreibungen entziehen.
Bewertung
Mit „El cielo a tiros“ ist Jorge Franco ein ausgezeichneter Roman gelungen, der eine neue Perspektive auf die Welt der Narcos eröffnet und gleichzeitig ein düsteres Sittenbild des modernen Kolumbien zeichnet. Eindrucksvoll stellt Franco den inneren Konflikt seines Protagonisten Larry dar, der zerrissen ist zwischen familiärer Loyalität und Abscheu gegenüber den Taten des Vaters, von denen er letztlich selbst lange profitiert hat.
All dies gelingt ihm ohne sich dabei in einfachen Schuldzuweisungen für die gewalttätige Vergangenheit und Gegenwart Kolumbiens zu verlieren. Beinahe sämtliche Protagonisten von „El cielo a tiros“ sind - auf die eine oder andere Weise - sowohl Täter als auch Opfer, hineingeboren in eine Gesellschaft, die von Gewalt, Korruption und der Jagd nach schnellem Geld geprägt ist.
„El cielo a tiros“ ist aufgrund der formellen Komplexität und der durchaus nicht immer leicht verdaulichen Thematik mit Sicherheit kein einfaches Buch. Es ist jedoch gerade deshalb ein wichtiges Buch, das klug konstruiert und hervorragend geschrieben einen neuen Blickwinkel auf das Phänomen der Drogenkriminalität eröffnet und sich mit der eminent wichtigen Frage der Aushandlung von Täter- und Opferrollen in einer derartig von Gewalt geprägten Gesellschaft auseinandersetzt.
Übersetzungsmöglichkeiten
Bisher sind zwei Romane von Jorge Franco in Deutschland – beide im Unionsverlag - publiziert worden, „Paraíso Travel“ und „Rosario Tijeras“ in zwei Auflagen. Da die letzte Veröffentlichung bereits knapp fünfzehn Jahre zurückliegt, ist davon auszugehen, dass der Autor im deutschen Sprachraum mittlerweile kaum mehr bekannt ist.
„El cielo a tiros“ ist aufgrund der hohen literarischen Qualität des Buches eine wunderbare Gelegenheit, einen im spanischen Sprachraum sehr renommierten Autor dem deutschen Publikum wieder bekannt zu machen. Die aktuelle Allgegenwärtigkeit der Narco-Thematik in Literatur, Film und Fernsehen bietet dabei inhaltliche Anknüpfungspunkte für das hiesige Publikum.
Da der Roman seine Vielschichtigkeit nicht durch die Verwendung eines besonders komplexen sprachlichen Registers, sondern durch die multiperspektivische Erzählstruktur erhält, sollte eine Übersetzung ins Deutsche keine besonderen Probleme bereiten. Vertrautheit mit dem kolumbianischen Spanisch sind aufgrund der regelmäßigen Verwendung lokaler, umgangssprachlicher Ausdrücke jedoch von Vorteil.
Da es sich bei Jorge Franco um einen Autor aus dem globalen Süden handelt, besteht die Möglichkeit bei Litprom e.V. einen Antrag auf Übersetzungsförderung zu stellen.
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