Gutachter: Francisco Uzcanga Meinecke
Protagonist dieses kurzen Romans des mexikanischen Schriftstellers Fabio Morábito ist der zwölfjährige Emilio, der unter der Scheidung seiner Eltern leidet und versucht mit der neuen Situation zurecht zu kommen. Emilio wohnt in einer kleinen Wohnung zusammen mit seiner Mutter, einer literarischen Übersetzerin, und einmal in der Woche bekommt er Besuch von seinem Vater, der sich gerade überlegt, mit seiner neuen Freundin ins Ausland zu ziehen. Es ist Ferienzeit, Emilio hat weder Geschwister noch Freunde und verbringt seine Freizeit auf einem riesigen und halbverlassenen Friedhof seiner Nachbarschaft. Hier versucht er sich die Namen der Grabinschriften einzuprägen und, bestückt mit einem "Witzdetektor", die Witze, die "in der Luft schweben", einzufangen. Bei seinem Herumtreiben durch die Friedhofsgänge und in den Büschen außerhalb der Grabsteine erlebt Emilio unterschiedliche Begegnungen mit zum Teil skurrilen Menschengestalten: die vierzigjährige Masseurin Eurídice, die ihren -auch zwölfjährigen Sohn- verloren hat, und mit der Emilio in eine Beziehung gerät, die von mütterlichem Instinkt einerseits und Erotik andererseits geprägt ist; der analphabetische Wächter, Apolinar, dem Emilio bei der Lektüre der Grabinschriften hilft, damit nicht auffliegt, dass er weder lesen noch schreiben kann, was seine Kündigung bedeuten würde; der Gehilfe des Wächters Adolfo, der auch um die Gunst von Eurídice buhlt und aus Langeweile die Geburts- und Sterbedaten der Grabinschriften ändert; der bildhübsche und kokette Messknabe, für den Emilio eine homoerotische Anziehungskraft spürt; und der bedrohliche Maurer Severino, der seine Arbeit immer mit einer Machete verrichtet und oft auf beide Jungs hinter den Büschen des Friedhofes lauert.
Die Liebe von Emilio zu Eurídice, das von pubertären Impulsen bestimmte Verhältnis zu seinen Eltern und die Affäre mit dem Messknaben erlauben es Emilio, los chistes y la muerte in der Nähe des Bildungsromans anzusiedeln, zumindest als ein Fragment eines Bildungsromans, in dem die Entdeckung der Sexualität die Hauptrolle spielt. Aber die Einbeziehung der anderen Protagonisten, die mehr oder weniger missglückten Begegnungen auf dem Friedhof und die gescheiterte Beziehung von Emilios Eltern machen aus dem Roman auch eine Reflexion über die Liebe und die Eifersucht, über die Einsamkeit und die Problematik der Verständigung.
Dieser erste Roman Fabio Morábitos —der sich schon als Autor von Gedichten, Kurzgeschichten und Essays einen Namen gemacht hat— fließt mit präziser und geschmeidiger Prosa und bietet eine Mischung aus Heiterkeit und Unheimlichkeit, aus Banalität und Tiefgründigkeit, die sich dank des ständigen Wechsels zwischen dem Anekdotischen und dem Transzendentalen durch die gesamte Geschichte zieht, und die auch im Titel zum Vorschein kommt: los chistes y la muerte, die Witze und der Tod. Diese Verschmelzung bewirkt, dass das Alltägliche eine transzendentale Dimension erhält und dass der Tod enttabuisiert wird; nicht umsonst endet der Roman am zweiten November, el Día de muertos, dem Tag, an dem die Mexikaner mit den Toten ein farbenprächtiges und frohes Festessen feiern.
Den Mann hielt es kaum auf dem Stuhl. Aus der Hüfte nahm er Schwung und reckte sich nach vorn, den linken Arm gerade durchgedrückt...
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Martina Streble ist Gründerin des noch jungen Verlags „Edition Helden“, der auf Kindercomics spezialisiert ist. Frau Streble, Sie haben im Jahr 2022 einen Verlag für Kindercomics...
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