Feliz final (Happy End)
Autor: Isaac Rosa
Verlag: Seix Barral, 2018, 340 Seiten
Genre: Literatur
Gutachter: Luis Ruby
Kurzzusammenfassung
Antonio trennt sich von Ángela. Wie kommt es dazu? Wer bezahlt, in Geld und anders? Oder finden die beiden im Erzählen wieder zusammen?
Abwechselnd (aus Sicht beider Protagonisten) rückwärts erzählte Geschichte einer Beziehung: ein detailversessenes Sittenbild, das es wagt, in der Rückschau nach der großen Liebe zu greifen, trotz allem.
Autor
Jahrgang 1974, Journalist und Verfasser mehrerer preisgekrönter Romane (u.a. Premio Rómulo Gallegos). Auf Deutsch erschienen bisher Das Leben in Rot (ü. Ralph Amann, Frankfurter Verlags-Anstalt 2008) und Im Reich der Angst (ü. Luis Ruby, Klett-Cotta 2011).
Inhalt
Antonio und Ángela, seit dreizehn Jahren zusammen, leben mit ihren zwei Töchtern in einer spanischen Großstadt, er als freier Journalist, sie als verbeamtete Lehrerin. Antonio hat einen Sohn aus erster Ehe, der gelegentlich Zeit mit ihnen verbringt.
Der Roman beginnt mit der Trennung der beiden. Antonio hält sich in der leergeräumten Wohnung auf und probt in verschiedenen Tonlagen den Satz: "Wir wollten zusammen altwerden". Schließlich schickt er ihn als SMS an Ángela, um dann auf ihre Antwort zu warten, "obwohl ich fürchte, dass das spät kommt, sehr spät".
"Natürlich kommt das spät", setzt ihre Stimme ein, "du hättest es mir gestern schicken können", als die Umzugsleute da waren.
So entspinnt sich ein Wortwechsel, teils in langen Passagen, teils eher in Form eines Gesprächs, in dem die Sätze sich verbinden. Wir erfahren von Ángelas Seitensprung und Antonios aktueller Verliebtheit, die den Anlass zur Trennung gab(en); von der Abnutzung ihrer Beziehung, der Entfremdung, den Enttäuschungen und Konfliktlinien; von den zwischendurch aufkeimenden Hoffnungen, den Rettungsversuchen. Der Austausch weitet sich, wenn Diskussionen im Freundeskreis zur Sprache kommen, andere Stimmen sich über Treue auslassen, ökonomische Zusammenhänge erwogen werden, Konzepte romantischer Liebe, das Alles-Wollen oder das Sich-Bescheiden.
Nach knappen zwei Dritteln des Romans werden Antonios und Ángelas Worte kurzzeitig parallel geführt, in zwei Spalten. Danach scheinen sie einander näher, während sich die Erzählung den gemeinsamen Ursprüngen zuwendet, den großen Erwartungen und Versprechen, den geteilten Träumen und Mythen (darunter eine Neapelreise im Zeichen von Rossellinis Film Viaggio in Italia).
In illusionsloser Offenheit scheinen Muster auf, die Wiederholung von Gesten aus Antonios Trennung von der ersten Frau oder bei der Zuwendung zu den jeweiligen späteren Geliebten. Die Schärfe der Auseinandersetzung scheint abzuklingen, gemeinsames Verständnis zu wachsen. Am Ende steht die Möglichkeit, dass das Erzählen bis zum Anfang – das Durchqueren der gemeinsamen Geschichte – auch ein Neuanfang sein könnte.
Sprache und Stil
Beide Figuren, beide Erzählstimmen sind stark, geben ihre Sicht wortgewandt wieder, sich ihrer Obsessionen und Lebensthemen durchaus bewusst. Und sie nehmen aufeinander Bezug, zunächst oft in verletztem Sarkasmus, stellenweise selbstironisch, später eher aus einer Vertrautheit heraus, in der auch Anerkennung liegen mag.
Dabei entfaltet Isaac Rosa mit sichtlicher Lust ein Inventar: in der Bestandsaufnahme von Gegenständen (die leergeräumte Wohnung), von Erinnerungen, Gefühlsschichten und -varianten, narrativen oder imaginären Möglichkeiten.
Dieses Prinzip der Reihung hat etwas Barockes in seiner Sprachmächtigkeit und der Freude daran, auch einen Metacharakter: Der Text stellt beiläufig seine Gemachtheit aus, im Einzelnen (der Auffächerung von Formulierungen und gedanklichen Optionen, die mich bei aller inhaltlichen Distanz an Javier Marías erinnert) und im Ganzen, wo das Inventar ins Komische kippt: "[Das Begehren kam] nicht nur nachts, es kam auch, wenn ich dir in der Wohnung begegnete, ich sah dich beim Kochen oder beim Anziehen oder lesend auf dem Sofa, und die Erinnerung schloss sich zu Störsignalen kurz, ein Aufblitzen stroboskopischer Bilder, so alt wie sicherlich vergrößert, wir, die es wie wild auf jeder Oberfläche der Wohnung trieben, auf der Arbeitsplatte, dem Tisch, in der Dusche, auf dem Sofa, dem Boden, den Wänden, Fenstern und, wenn du mich fragst, auch an den Decken" (S. 87).
Überwiegend jedoch dient die – bei allem Ausschweifen äußerst präzise Sprache – einer schonungslosen Betrachtung dessen, was Antonio und Ángela erlebt haben.
Dies adäquat zu übersetzen, ist anspruchsvoll, man wird einen langen Atem haben müssen, nicht zuletzt beim Durchqueren der Bleiwüsten, die ja dann auch eine leserfreundliche Syntax benötigen. Die Rede- und Themenvielfalt in ihrer ganzen Differenziertheit zu bergen, erfordert Aufmerksamkeit und ein konsequentes Herausarbeiten von Nuancen.
Bewertung und Empfehlung
Feliz final ist eine sprachlich und gedanklich wuchtige Auseinandersetzung mit Fragen von Partnerschaft und Liebe, bis in die politischen Dimensionen des Privaten hinein und darin hochaktuell (mit Stichwörtern wie Selbstoptimierung, prekäre Arbeitsverhältnisse, Sehnsucht nach einem authentischen, womöglich naturnahen Leben gerade für die Kinder). Isaac Rosa lässt dabei eine große emotionale Bandbreite zu, stößt die Gefühle, die er zur Aufführung bringt, auch beim Leser an.
Das finde ich umso überzeugender, als keine klischeehafte Rollenverteilung mit entsprechenden Identifikationslinien vorliegt. Mir persönlich sagt das Erleben Ángelas in manchen Punkten mehr als das Antonios. Vor allem aber fasziniert mich das Gesamtbild, die Anschaulichkeit und Nachvollziehbarkeit der Erfahrungen beider und wie sie in Dialog treten.
Dieses Buch, diese Figuren glühen und nehmen sich Zeit – dreizehn fiktive Jahre und dreihundert dichteste Seiten Rückschau –, um kühl und erneut glühend zu erfassen, was sie für ein Spiel spielen, wie lächerlich ihr Ernst ist und wie kühn und wie am Ende ihnen immer noch ernst.
Das lässt nicht kalt, mag je nach eigenen Erfahrungen schwierig zu ertragen zu sein, aber einträglich, wenn man sich darauf einlässt. Unbedingte Empfehlung.
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