Gutachterin: Nadine Mutz
Fueye ist ein grafischer Emigrationsroman in zwei Teilen. Der erste Teil des Romans handelt von Antonino und dessen Sohn Horacio, die 1916 in der Hoffnung auf ein freies, besseres Leben gemeinsam mit Hunderten von Europäern die Überfahrt von Italien nach Buenos Aires auf sich nehmen. Während der Vater seiner Arbeit bei einer oppositionellen Zeitung nachgeht, wächst Horacio bei der Geliebten seines Vaters auf, die ihm das Klavierspielen lehrt. Der Bandoneonspieler Vicente bringt Horacio mit der Welt des Tango, der Prostitution und der Mafia in Berührung, und der Junge beginnt von einem Leben in der argentinischen Oberschicht zu träumen. Eine Karriere als gefeierter Pianist schlägt Horacio einige Jahre später aus. Um sich die Ehe mit der Tochter des korrupten Großunternehmers Torres zu erkaufen, verrät er die Druckerei seines Vaters. Als die Verhaftung Antoninos bekannt wird, willigt Torres in die Hochzeit ein und gibt ihm eine Anstellung. „Klavier und Tango, das war einmal“. Viele Jahre später, seines eintönigen, freudlosen Lebens bewusst, setzt sich Horacio eines Abends in einer Bar wieder einmal ans Klavier. Dabei lernt er die ebenfalls vom Leben enttäuschte Àgata kennen und verliebt sich in sie. Die beiden beschließen, aus ihrem Leben auszubrechen und anderswo gemeinsam neu anzufangen. Doch am Busbahnhof wartet Àgata vergeblich. Die Träume und Hoffnungen, die Vater und Sohn fünfzig Jahre zuvor auf der großen Überfahrt nach Argentinien hegten, haben sich nicht erfüllt.
Im zweiten autobiografischen Teil des Romans geht es nicht zuletzt um den Entstehungsprozess von Fueye. Der Autor Jorge González lebt seit über zehn Jahren in Spanien und denkt über sein eigenes Leben als Emigrant nach. Eine zehntägige Reise nach Buenos Aires, ein Besuch bei seinen Eltern und Freunden, bietet den Rahmen für seine Gedanken und Gefühle, die er voller Poesie wie eine Kollage an- und übereinander fügt. Mit einem Freund spricht er über die Erfahrung der Emigration, das Entwurzeltsein, das Heimweh und die Hoffnungen, die sie mit der neuen Heimat verbinden. Es stellt sich die Frage, ob es für eine Rückkehr nicht längst zu spät ist. González verrät uns hier jedoch nicht nur das Konzept, sondern auch den Schlüssel für seinen Roman. Er selbst kam in den 80er Jahren in den Besitz des Namen gebenden „Fueye“, das auch für ihn zur Metapher wurde: Für die Welt des Tango, der Melancholie und Leidenschaft, der ewigen Hoffnung und der ewigen Enttäuschung.
Dieser grafische Roman richtet sich insbesondere an einen Leserkreis mit einem hohen Anspruch an künstlerische Gestaltung. Die in einem düsteren Sepia gehaltenen Zeichnungen des ersten Teils sind durch das Spiel von Hell und Dunkel und den hohen Abstraktionsgrad überaus ausdrucksstark. Im experimentelleren zweiten Teil wechseln sich Kollagen ab mit Filzstiftzeichnungen, Skizzen, Aquarellen, Ölbildern. Auch der Text selbst ist ein grafisches Element. In der künstlerischen Gestaltung, die die verschiedensten Techniken und Stile der Kunstgeschichte seit Daumier und Toulouse-Lautrec in sich vereint, spiegelt sich auf wunderbare Weise der assoziative Charakter der Handlung. „Fueye“ ist ein politisches, emotionales, sentimentales Kunstwerk mit szenischem Charakter.
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