Der Comic-Künstler David Rubín zeichnet in seiner 2022 erschienenen graphic Novel El Fuego auf eine beeindruckende und auf Grund der sich geradezu aufdrängenden Parallelen zu aktuellen Katastrophenszenarien eine fast beängstigende dystopische Zukunft der Menschheit. Zwar ist das Buch klassisch im Bereich der Science-Fiction angesiedelt, doch David Rubín versteht es, auf sehr nachhaltige und subtile Weise, prominente Fragen der Technikbeherrschung und eines allgemeinen Kulturpessimismus angesichts schwindender Fähigkeiten der Gattung Mensch, eine humanistisch geprägte Zukunftsperpsektive zu entwerfen, in seine Arbeit einfließen zu lassen. Damit wird das Werk auch für jene Leserinnen und Leser ein Genuss, die sich gemeinhin vom Genre der Science-Fiction eher wenig angezogen fühlen. Als zentrales Leitmotiv der graphic Novel kann daher die Auseinandersetzung der Menschheit mit existenzbedrohenden Krisen gesehen werden. Dabei ist vor allem von Interesse, wie der Autor die Frage nach der Technikentwicklung und die Möglichkeit, diese zu beherrschen, immer wieder aufnimmt.
Der Autor David Rubín wurde 1977 im galizischen Orense geboren. Ausgebildet als Graphikdesigner hatte David Rubín bereits 2005 seine erste Arbeit im Bereich der graphic Novels im baskischen Verlag Astiberri veröffentlicht. Weitere Publikationen ließen nicht lange auf sich warten, David Rubín gilt als sehr produktiver Autor. Auch wenn die vorliegende Publikation erst ein Jahr alt ist, so hat David Rubín 2023 bereits eine neue graphic Novel veröffentlicht! Seine Arbeiten fanden schnell Zuspruch und er erhielt dafür verschiedene, zum Teil auch sehr renommierte Nominierungen und Preise in Spanien.
Erschienen ist die graphic Novel 2022 im baskischen Verlag Astiberri. Dieser Verlag hat sich seit der Gründung im Jahr 2001 auf den Bereich Comics und graphic Novels spezialisiert und hat sich diesbezüglich einen sehr prominenten Namen gemacht. Der Verlag selber hat mehrfach Preise gewonnen und diverse Publikationen aus dem Hause Astiberri wurden bei dem wichtigen Comic-Festival “Salón Internacional del Cómic de Barcelona“ prämiert. Der Verlag hat bereits viele frühe Arbeiten von David Rubín herausgebracht, so dass hier fast von einer Art Hausverlag gesprochen werden kann. Mit der Herausgabe der graphic Novel El Fuego hat sich der Verlag sehr große Mühe gegeben. Die für eine graphic Novel beeindruckende Länge des Buches von 256 Seiten ist in einer hochkarätigen Hardcover- Version erschienen. Mit einer stattlichen Höhe von über 30 cm macht das Buch allein schon äußerlich einen sehr imposanten Eindruck. Da im Genre der graphic Novels die Aufmachung eine zentrale Bedeutung für das Leseergebnis hat, ist dies als sehr positiv hervorzuheben. Als Ergänzung zu dieser Publikation ist digital auf über 500 Seiten ein „Making of“ erschienen, das die verschiedenen Skizzen zu dem Buch zeigt. Auch dies ist ein Zeichen der guten Verlagsarbeit.
Inhaltlich ist die Geschichte schnell erzählt: David Rubín entfaltet auf über 250 Seiten in beeindruckenden Bildern eine dystopische Zukunftsvision der Menschheit, eingebettet in die persönlichen Krisen des Protagonisten. Die Gefahr für die Erde ist externer Natur: Ein Meteorit, drei Mal so groß wie jener, der die Dinosaurier seinerzeit auslöschte und im Original mit dem deutschen Begriff der „Götterdämmerung“ bezeichnet, rast auf die Erde zu und droht unwiderruflich mit der Zerstörung der Menschheit. Diese hat nur eine Überlebenschance, indem sie sich auf einem anderen Planeten neu ansiedelt. Bei der mit der Neuansiedlung der Menschheit betrauten Person wird jedoch ein Hirntumor im Endstadium diagnostiziert. Hier verknüpfen sich auf tragische Weise letale Bedrohungen auf individueller Ebene als auch auf Ebene der Gattung Menschheit. Die Frage nach dem persönlichen und dem gesellschaftlichen Überleben vermischen sich in der Person des Alexander Yorba. Der Protagonist zieht sich als Konsequenz aus dieser Krankheit aus dem öffentlichen Leben zurück und sucht den Schutz und die Geborgenheit seiner Familie, mit der er bis dato kaum Kontakt pflegte. Der Rückzug in das Private und das Individuelle erscheint somit gleichfalls auch als ein Verrat an der Gattung Mensch, die für ihr Überleben auf die Kompetenz und Fachkenntnis des Alexander Yorba elementar angewiesen ist. Dieser Schritt wird sich aber sowohl auf persönlicher als auch auf beruflicher Ebene als Fehlentscheidung herausstellen, die den Protagonisten zu einem Gejagten werden lässt. Angesichts seiner Krankheit und seines immer vulnerableren Geisteszustandes, aber auch angesichts des nahenden Endes der Menschheit werden auf dramatische Weise und in schmerzender Konsequenz letzte Gewissheiten grundsätzlich in Frage gestellt.
Wie ein roter Faden zieht sich durch die graphic Novel El Fuego die Gegenüberstellung des privaten Schicksals mit den fundamentalen gesellschaftlichen Konflikten. Das Individuelle und das Allgemeine, das Private und das Überleben der Gattung als solche, sind bei David Rubín intrinsisch miteinander verwoben, auch wenn es einen immanenten und fortlaufenden Konflikt über die jeweilige Gewichtung zwischen beiden Ebenen gibt.
Die Menschheit lebt in der Hoffnung, die Katastrophe technisch abwenden zu können. Allerdings kommen hier auch soziale Fragen zum Tragen, nämlich ob alle Menschen, oder nur die Wohlhabenden, Zugang zu diesen Möglichkeiten haben werden. Der Autor entführt uns eindrucksvoll in eine digitalisierte, technische Welt, in der Gedanken gelesen werden können und persönlicher Wohlstand an die Loyalität mit den Eliten geknüpft ist. Es ist eine kalte Welt, in der über Tabletten Wohlgefühl hergestellt wird oder diese einen schnellen und schmerzlosen Suizid versprechen.
Gleichzeitig steht der Protagonist – ein ehemaliger Weltverbesserer - als Egoist vor den Trümmern seiner Existenz. Lebensentscheidungen, die aus Egoismus, Lügen, aber auch aus Angst und Furcht getroffen wurden, stellen sich kurz vor seinem Lebensende als grundlegend falsch heraus. Chaos, Verzweiflung, Gewalt und eine implodierende Ordnung bestimmen das Geschehen. Das Buch überrascht und berührt. Das Ende ist unausweichlich und kann daher nicht versöhnen. Aber es macht das Buch rund und beeindruckend.
Das Nachwort von Fernando de Felipe, spanischer Comic-Künstler aus Saragossa, wirkt am Ende etwas überflüssig und kommt an die Aussagen des Buches nicht heran. Dies ist bedauerlich und der Verlag hätte gut daran getan, darauf zu verzichten. El Fuego ist aber ohne Zweifel für eine deutsche Übersetzung sehr zu empfehlen. Die künstlerische Umsetzung ist sehr überzeugend, die thematische Ausrichtung von fast beängstigender Aktualität. Vor diesem Hintergrund ist das Buch sowohl literarisch als auch gesellschaftlich auch für den Leser in Deutschland von großem Interesse. Die spanische Edition ist als Hardcover sehr anspruchsvoll und ansprechend gestaltet. Dies für die deutsche Edition ebenso umzusetzen ist stark zu empfehlen.
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