La mitad de la noche (Mitternacht)
Autorin: Mayra Montero
Verlag: Tusquets Editores S.A., Oktober 2019, 381 Seiten
Gutachterin: Sybille Martin
Im August 1926 reist Magdalena Laparra nach Biarritz, um sich zusammen mit ihrem zweijährigen Sohn Raúl und ihrer siebenjährigen Tochter Elsa im Meer zu ertränken. Elsa überlebt und kehrt zu ihrem Vater Juan María Iturrioz nach Kuba zurück, wohin die Familie ausgewandert ist. Als sich ihr Mann Salvador 1944 von ihr trennt, stürzt sie in eine Krise und fährt - mitten im Zweiten Weltkrieg – nach San Sebastian zu ihrer Großmutter und ihrer Tante Sagrario. Elsa eröffnet ihnen, dass sie das Grab ihres Bruders nahe Biarritz aufsuchen will, weil sie nach Antworten auf Magdalenas Tat sucht. Darauf händigt ihr die Großmutter eine Mappe mit Briefen der Mutter aus. In der von den Nazis besetzten Stadt liest Elsa die Briefe und beginnt ein Verhältnis mit dem deutschen Offizier Harald. Gleichzeitig unterstützt sie die Pensionswirtin Madame Goti und den Fischhändler Beñat, die beide im Widerstand aktiv sind, und überbringt Beñat, der verfolgte Franzosen über die Pyrenäen nach Spanien schleust, im Rocksaum eingenähte Botschaften. Als Elsa schwer erkrankt, will ihre Tante Sagrario sie nach San Sebastian zurückholen und eröffnet ihr, dass die Großmutter ihren Mann Octavio nach der Tragödie mit Magdalena verbannt hat und dass er in Biarritz lebt. Aus den Briefen weiß Elsa inzwischen, dass Magdalena den eigenen Vater geliebt hat und dass Octavio in Wahrheit ihr Vater ist. Im rasanten Showdown ersticht Elsa Harald, Octavio stirbt bei der Bombardierung von Biarritz und Elsa kann mit Beñat fliehen.
Mayra Montero schildert die Geschichte ihrer Protagonistin im Wechsel mit Magdalenas Briefen aus Kuba, bei deren Lektüre Elsa die Mutter und ihr Schicksal erst kennenlernt. Magdalena war in Kuba zutiefst unglücklich, sie versuchte gar, als hochschwangere Frau eine Schiffspassage nach Spanien zu bekommen, wurde aber von ihrem Mann daran gehindert. Dann kam Raúl zur Welt und sie konnte erst 1926 mit den Kindern wieder nach Biarritz reisen, wo die großbürgerliche Familie aus San Sebastian immer den Sommer verbrachte. Es sollte ihre letzte Reise sein.
Auf ihrer Suche nach Wahrheiten erfährt Elsa nicht nur vom dunklen Geheimnis der Mutter und einer anderen Facette der liebevollen Großmutter, sondern sie beginnt auch ihren Vater und ihren Exmann in einem anderen Licht zu sehen und zu verstehen. Die Erfahrungen im besetzten Frankreich und die durch die Enthüllungen freigesetzten Gefühle verändern die innerlich zerrissene junge Frau. Mit Beñat empfindet sie erstmals wahre Leidenschaft und die gemeinsame Flucht wird zur endgültigen Selbstbefreiung.
In die 27 Kapitel mit eigenen Überschriften hat Montero Magdalenas Briefe von Mai bis Dezember 1923 eingewoben, schonungslose Einblicke in ihre Gefühlswelt voller Widersprüche, die Elsa nur mit Unterbrechungen lesen kann. Sie hat nie verstanden, warum die Mutter zur Kindsmörderin wurde und sie selbst nur knapp entkam. In den Briefen lässt Magdalena die Tochter (und die Leserin) in ihre Abgründe blicken, ihr Schicksal ähnelt dem vieler Frauen aus gutbürgerlichen spanischen Familien zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zuerst wurde Magdalena von ihrer Mutter ins Internat verbannt, als diese dahinterkam, dass die Tochter den eigenen Vater verführt hatte. Und nach der Eheschließung mit Iturrioz – dem sie Tochter Elsa als eigenes Kind unterschob – musste sie mit ihm aus beruflichen Gründen nach Lateinamerika auswandern und war dort endgültig von der Familie getrennt. Magdalenas Verzweiflung und latenter Wahnsinn führte nach der Geburt ihres Sohnes Raúl in eine postnatale Depression, die sie schließlich zum Kindsmord und in den Suizid trieb.
Mayra Montero schildert Elsas Geschichte in der dritten Person, was deren Entfremdung von sich selbst verdeutlicht. Wie in allen ihren Romanen lässt sie Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Schichten aufeinandertreffen, setzt auf sprachliche Eigenheiten und Sonderbarkeiten, womit sie die Geschichte zunehmend spannender und dichter gestaltet. Monteros Stil ist brillant und elegant, die komplexe Zeichnung ihrer Frauencharaktere nehmen die Leserin im doppelten Sinne mit auf eine Reise.
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