La versión de Eric (Erics Version)
Autor: Nando López
Verlag: Literatura SM, Madrid, 2020, 231 Seiten
Genre: Jugendroman, Krimi
Lesealter: 14+
Gutachterin: Julia Krumm
Nando López (Barcelona, 1977) hat mehrere Jugend- und Erwachsenenromane, sowie Theaterstücke verfasst. Er ist Doktor der spanischen Philologie und war einige Jahre lang Lehrbeauftragter in der Mittelschule und an zwei Universitäten in Madrid. Mit La versión de Eric gewann López 2020 den Premio Gran Angular.
13. Juli, 1:44 Uhr nachts: Der 20-jährige Eric flieht vom Tatort und taumelt - von gemischten Gefühlen und Erinnerungen an seine schwierige Kindheit und Jugend aufgewühlt - in die nächste Polizeiwache. Es sind womöglich zwei Morde begangen worden und er will der Polizei davon erzählen.
Das Verhör deckt immer mehr über die Tatnacht auf, dabei stehen dem jungen Schauspieler sein Agent Hugo und seine Anwältin Gabriela zur Seite. Je mehr wir über die involvierten Personen erfahren, desto offensichtlicher wird, dass Eric nicht von den wahren Geschehnissen der Nacht erzählen will, sondern seine eigene Version davon auftischt.
Um zu verstehen, wie es dazu kam, bietet der Protagonist den Lesenden Einblicke in Schlüsselmomente seines Lebens: Den Nachmittag mit neun, als er zum ersten Mal heimlich ein Hemd seines Vaters anzieht und sich daraufhin im Spiegel als der (wieder)erkennt, der er wirklich ist. Die Abneigung in den Augen seines Vaters, der noch am selben Tag seine Sachen packt und die Familie verlässt, weil er nicht damit zurechtkommt, dass sein Kind, das nach der Geburt als Mädchen deklariert wurde, sich als Junge fühlt. Die Diagnose von Erics Hochbegabung, die seiner Mutter die Gewissheit verschafft, dass ihr Sohn nicht nur anders, sondern auch besonders ist. Den wunderbaren Sommer bei seinem Großvater, der ihn als einziger versteht und akzeptiert. Seine Namensfindung, Eric, nach dem besten Freund seines Großvaters aus Studienzeiten. Das katastrophale 3. Mittelschuljahr, in dem seine Mutter und er dafür kämpfen, dass Eric mit seinem richtigen Namen und Pronomen angeredet wird – trotzdem weigern sich einige Mitschüler*innen und Lehrpersonen und verwenden weiterhin seinen Deadname.
Es folgt eine von vielen Einweisungen ins Krankenhaus, wo Eric Tania kennenlernt, die selbst von ihren Mitschüler*innen gemobbt wurde und ihn so annimmt, wie er ist. Zwischen den Therapiesitzungen und den wechselnden Medikamenten werden sie beste Freund*innen. Dank eines gemeinsamen Schulwechsels und eines besonderen Lehrers entdecken die beiden ihre Liebe zum Schauspielern. Schon bald wird Eric bei einem Casting entdeckt, in Hugos Agentur aufgenommen und bekommt mit 18 eine Rolle in der Jugendserie Ángeles, die zu einem großen Erfolg wird. Als Tania seinen Co-Star Rex kennenlernt, leben sich Eric und sie auseinander. Durch ein gemeinsames Tattoo der beiden findet Eric heraus, dass Rex Tania in eine geheime Gruppe eingeladen hat, die sich El Círculo (der Kreis) nennt, in der sich Mobbingopfer anonym über ihnen widerfahrenes Leid austauschen und am Schmerz der Vergangenheit festhalten.
Als Eric mehr darüber wissen will, Rex und Tania jedoch ausweichend reagieren, schwant ihm Übles. Aus Sorge lässt Eric über einen Freund Tanias Handy orten und beobachtet heimlich die zunächst harmlos wirkenden Treffen von El Círculo, doch in der Nacht des 13. Juli bestätigt sich schließlich seine Befürchtung: Cristian, der Tania in der Mittelschule gemobbt hatte, wird in ihr Treffen geschleppt, damit Tania sich als Aufnahmeritual an ihm rächen kann. Sie ist entsetzt, als Cristian von den Mitgliedern brutal zusammengeschlagen wird und flieht, doch Rex folgt ihr und will sie aufhalten. Eric kommt ihr entgegen, um ihr zu helfen. Dann geht alles rasend schnell: Rex stürzt sich auf Tania, doch Eric geht dazwischen und wird von Rex zu Boden geschlagen, Tania will mit Erics Roller fliehen, Rex gibt ihr den Weg nicht frei, sie überfährt ihn. Tania steht unter Schock und Eric beschließt, seine beste Freundin zu schützen. Als Eric nach seiner Aussage die Wache verlässt, trifft er auf Tania, die nun bereit ist, mit der ganzen Wahrheit herauszurücken.
La versión de Eric ist ein Krimi und ein Roman über das Erwachsenwerden, über Selbstfindung und Freundschaft, der berührend und ehrlich geschrieben ist, ohne klischeehaft oder belehrend zu wirken. Mal ernüchternd, mal philosophisch und optimistisch zeigt López, wie hart die Schulzeit sein kann und wie wertvoll Freundschaften sind, in denen wir uns angenommen und unterstützt fühlen, ganz unabhängig von Alter, Aussehen und Erfolg. Ein gelungenes Plädoyer für mehr Empathie, gegen Mobbing und Transphobie, das zeigt, wie verletzlich Menschen sind und wie unterschiedlich sie mit ihren Wunden und Traumata umgehen. Der Roman beleuchtet die Genderungerechtigkeit der spanischen Sprache, das Schulsystem und selbst Literatur, die sich mit Transpersonen beschäftigt, kritisch und regt an, neue, inklusivere und buntere Wege zu gehen. Aus Erics Perspektive erzählt, verliert sich die Handlung immer wieder tagebuchartig in Erinnerungen und arbeitet Erlebtes auf, führt die Lesenden aber stets geschickt zu den jüngsten Ereignissen zurück - dieser Spagat wirkt nie erzwungen, sondern eher wie eine angeregte, ausgedehnte Unterhaltung unter Freund*innen. Bisher ist bedauerlicherweise noch keines von López‘ Werken ins Deutsche übertragen worden, aber ich empfehle die Übersetzung dieses fesselnden, vielschichtigen und hochaktuellen Romans wärmstens.
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