Mit Operación bikini nimmt Júlia Barceló den Kampf gegen den übermäßigen Druck durch Schönheitsideale auf – nah dran an der jugendlichen Zielgruppe, frisch erzählt und ungeschönt. Ein interessanter Erstling!
Die Schauspielerin und Drehbuchautorin Júlia Barceló ist in einer Branche zu Hause, in der die in der Gesellschaft vorherrschenden Schönheitsideale wie unter einem Brennglas verstärkt werden. Mit Operación bikini legt sie nun erstmals ein Jugendbuch vor, das den schädlichen Auswüchsen des Drucks auf junge Mädchen entgegentreten will.
Das gängige Schönheitsideal eines makellosen, schlanken Körpers setzt Heranwachsende schon seit Langem unter Druck. Doch in einer Zeit, in der in sozialen Medien tausendfach Bilder gepostet werden, die oftmals digital bearbeitet wurden und die Schönheitsnormen immer weiter ins Unerreichbare treiben, wird dieser Druck nochmals gesteigert.
Auch Sol, die Protagonistin von Operación bikini leidet unter der Not, solchen Idealen genügen zu müssen. Als Sol eine Einladung zur Geburtstagsparty einer Freundin erhält, ist die Freude zunächst groß. Doch rasch weicht die anfängliche Begeisterung einer tiefen Ernüchterung. Denn der Geburtstag soll mit einer Strandparty gefeiert werden, und Sol hat einige Kilos zu viel auf den Rippen. Als Moppel fühlt sie sich im Bade-Outfit denkbar unwohl unter ihren vermeintlich so schlanken und makellosen Freundinnen. Also startet Sol die Operation „Bikinifigur“.
Als Erstes verordnet sie sich eine Diät und ist hocherfreut, dass in der ersten Woche bereits merklich Kilos purzeln. Doch dann stagniert der Erfolg, und Sol meldet sich frustriert im Fitnessstudio an, wo sie von nun an täglich Gewichte stemmt und Kurse besucht. Unter den durchtrainierten Sportlerinnen fühlt sie sich wie ein Fremdkörper. Und dass sie aufgrund ihres ambitionierten Programms keine Zeit mehr hat, um sich mit ihren Freundinnen zu treffen, macht sie zusätzlich unglücklich. Ihre Laune sinkt vollends in den Keller, als ihr Onkel durch unbedachte dumme Kommentare den Finger in die Wunde legt. Auch Ariel, ihr personifiziertes schlechtes Gewissen, reibt ihr die Verstöße gegen die guten Vorsätze genüsslich unter die Nase.
So gerät Sol immer tiefer in eine Abwärtsspirale der Frustration, weil sie dem angestrebten Ideal nicht näherkommt und sich unzulänglich fühlt. Erst als sie bewusst den Austausch mit anderen sucht, die aufgrund körperlicher Merkmale diskriminiert werden, gehen Sol die Augen auf. Dylan etwa wird seit seiner Kindheit gehänselt, weil er dick ist. Marc sitzt im Rollstuhl und muss manchen Spott ertragen, den er mit einem ausgeprägten Sinn für Humor kontert. Und die magersüchtige Sheila musste sogar ins Krankenhaus eingeliefert werden, weil sie zu sehr versucht hat, jemand zu sein, der sie nicht ist. Diese Gespräche verhelfen Sol, ein gesünderes Verhältnis zu ihrem Körper zu entwickeln und den Druck durch die Schönheitsideale zu hinterfragen. Sie beginnt zu recherchieren und befördert neben manchem guten Tipp – Folge in den sozialen Medien nicht länger Influencern, die dir das Gefühl von Unzulänglichkeit vermitteln! – auch interessante Fakten zutage, etwa, dass es einen zeitlichen Zusammenhang zwischen den ersten Miss-Wahlen und dem in den 1920er Jahren frisch errungenen Frauenwahlrecht gibt.
In der Folge setzt bei Sol ein Sinneswandel ein. Sie beschließt, sich nicht mehr durch soziale Medien und den gesellschaftlichen Druck beeinflussen zu lassen, sondern bei der geplanten Geburtstagsfeier selbstbewusst einen knappen Bikini anzuziehen. Erstaunt stellt sie bei der Feier schließlich fest, dass sich auch die vermeintlich so perfekten Freundinnen für ihre Körper schämen, und sei es, weil ihre Rücken gerade mit Pickeln übersät sind. Alle sind sich einig, dass es das Wichtigste ist, sich endlich wiederzusehen, gerade weil sich Sol durch den harten Kampf gegen die Kilos so rar gemacht hat.
Die flott geschriebene und liebevoll illustrierte Geschichte endet in einem Sachteil mit umfangreichem Glossar rundum Schönheitsideale, Körperscham, Essstörungen, Selbstwahrnehmung und Mobbing.
Das Buch von Júlia Barceló richtet sich an junge Mädchen, die unter dem enormen Druck ihres Umfelds stehen, und weist ihnen hilfreiche Wege aus dem Bodyshaming hinaus, ohne mit erhobenem Zeigefinger daherzukommen. Im Gegenteil, die Protagonistin spricht – in aller gnadenlosen Ehrlichkeit, mit der sie mit sich ins Gericht geht -, die Sprache der Zielgruppe und erhält dadurch große Authentizität.
Allein ein Wechsel der Erzählperspektive – von der Ich-Erzählerin zu einer auktorialen Erzählstimme und wieder zurück zur Ich-Erzählerin – wirkt zunächst irritierend. Thematisiert wird damit das Erzählen und die Fiktion an sich, um so nicht zuletzt auch die unrealistische Erwartung an Erzählungen über Erfolgsdiäten und Sportprogramme etc. als nicht real zu entlarven. Und so schließt sich auch in diesem formalen Trick der Kreis zum Thema des Romans.
Die Illustrationen von Operación bikini fügen dem Roman in ihrer Comic-Anmutung ein erfrischendes und humorvolles Element hinzu, das junge Leserinnen mit Sicherheit anspricht. Text und Bild gehen hier eine durch und durch überzeugende Allianz ein.
Da das Thema Bodyshaming und Schönheitsdruck durch die sozialen Medien inzwischen schon sehr junge Mädchen erreicht, kann Operación bikini als gelungener Befreiungsschlag für eine gesündere Selbstwahrnehmung betrachtet werden. Das Buch hätte sicher auch auf dem deutschsprachigen Buchmarkt aufgrund seiner absoluten Zielgruppenorientierung und seines erfrischenden Tons gutes Potenzial. Eine klare Empfehlung!
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